Ein Erinnerungsstück an turbulente Zeiten

Ein Bericht von Franz Streibl

Vor einigen Tage übergab Franz Strasser aus Wasentegernbach dem Historischen Kreis von Dorfen eine abgeschossene Artillerie-Kartusche, die in seinem Anwesen wieder aufgefunden wurde. Damit hat es folgende Bewandtnis:

Im Jahre 1918 wurde in Bayern die Monarchie abgeschafft und ein Volksstaat Bayern ausgerufen. Nachdem der bayerische Ministerpräsident Kurt Eisner im Februar 1919 ermordet worden war, kam es zu einer Radikalisierung, die Räterepublik Bayern wurde ausgerufen. In diesen Tagen, im April 1919, verhaftete die Gendarmerie Dorfen auf einen Anruf von Mühldorf hin russische Kriegsgefangene, die mit der Eisenbahn in Richtung München unterwegs waren um dort die Revolution zu unterstützen. Das verärgerte die Räteregierung in München. Es wurde ein bewaffnetes Kommando nach Dorfen entsandt, das in der Nacht auf den 24. April in Dorfen ankam und sofort die dortige Einwohnerwehr, die mit wenigen Karabinern oder Jagdgewehren bewaffnet war, entwaffnete. Das Kommando entwaffnete auch die Gendarmerie und übernahm die Dorfener Zeitung. Dann rückte es wieder ab und Dorfener Sympathisanten der Revolution übernahmen die Macht. Der Bürgermeister und der Leiter der Sparkasse wurden abgesetzt, ein Revolutionstribunal eingesetzt, eine bewaffnete Arbeiterwehr wurde aufgestellt und ein Volksrat übernahm die Regierung des Marktes. Allerdings verstanden es die Dorfener recht gut, die Revolution zu unterwandern. In die Arbeiterwehr waren Männer der Einwohnerwehr eingetreten, Bürgermeister wurde Badereibesitzer Stapfner und die Sparkasse übernahm Max Bierling. Das waren gewiss keine Revolutionäre. Die Tage der Revolution in Dorfen währten allerdings nicht lange. Der Widerstand gegen die Räterepublik formierte sich um den bayerischen Ministerpräsidenten Johannes Hoffmann, der nach Bamberg ausgewichen war. Reichswehr und Freikorps kämpften gegen die Räterepublik. Am 1. Mai kam ein Zug mit Truppen der Regierung Hoffmann aus Richtung Mühldorf nach Wasentegernbach. Dort hielt der Zug und mit einer Kanone auf dem Zug, vermutlich ein Feldkanone 16 n. A. im Kaliber 7,5 cm. Vier Schüsse wurden mit dieser Kanone in Richtung Dorfen abgeschossen. Zwei Granaten schlugen bei der Niedermühle ein, zwei oberhalb der Erber.Mühle. Eine der abgeschossenen Kartuschen von dieser Kanone wurde von Josef Strasser, dem Onkel von Franz Strasser, mit nach Hause genommen. Jetzt kam sie wieder zum Vorschein und wurde durch Franz Strasser dem Historischen Kreis für sein Heimatmuseum als Leihgabe überlassen.

Von den Spartakisten ist noch zu berichten, dass sie auf diese Schüsse hin ihre Waffen und Armbinden weg warfen und nach Hause gingen. Sie wurden zu relativ milden Gefängnisstrafen verurteilt und diese kommunistische Episode in der Geschichte Dorfens war bald vergessen. Nur die Frau der Herausgebers der Dorfener Zeitung, Frau Zauner, hatte sich bei der Besetzung der Druckerei so aufgeregt, dass sie sich ein unheilbares Nervenleiden zuzog und zehn Jahre nach den turbulenten Tagen errichteten Dorfener Bürger an der Stelle, an der die letzte Granate eingeschlagen hatte, ein kleines Denkmal zur Erinnerung. Das Denkmal ist heute noch zu sehen westlich der Erber-Mühle auf dem Berg über dem Wildgatter.

Auf den Bildern sind die Mitglieder des Historischen Kreises Dorfen, Johann Wimmer (links) und Franz Streibl (rechts) zu sehen, denen von Franz Strasser (Mitte) die Kartusche übergeben wurde.

Auf dem zweiten Bild ist das Denkmal oberhalb der Erber-Mühle zu sehen, das an die aufregenden Tage in Dorfen erinnert.