Josef Martin Bauer wehrt sich gegen den Nationalsozialismus

Ein Bericht von Franz Streibl

Wegen seiner Veröffentlichungen als Angehöriger der Propagandakompanie der Wehrmacht und wegen seiner Zugehörigkeit zur NSDAP seit 1935 wird Josef Martin Bauer oft als begeisterten Nationalsozialist angesehen. Jetzt habe Franz und Agnes Streibl in der Dorfener Zeitung wieder einen Beitrag gefunden, der deutlich zeigt, dass sich Bauer bis zuletzt gegen den Nationalsozialismus wehrte und sein späteter Eintritt in die Partei gegen seine innere Überzeugung geschah. Er musste sich vielmehr den widrigen Umständen beugen, gegen seine persönliche politische Einstellung. Der Beitrag datiert vom 12. März 1933, als nach den Wahlen von 5. März 1933. Damals hatte gerade Ritter von Epp als Reichsstatthalter die bayerische Regierung entmachtet.

Bericht von Josef Martin Bauer in der Dorfener Zeitung
vom 12. März 1933
In eigener Sache

Zu den Vorfällen gestern Vormittag im Anschluß an die Flaggenhissung im Dorfener Rathaus möchte ich in dieser höchst eigenen Sache, um alle unrichtigen Gerüchte zu klären, hier feststellen:
Ich war während der Flaggenhissung mit verschiedenen anderen Zuschauern an der Brothaus-Ecke und habe dort die Bemerkung gemacht: „Unter dem Kommando von General Epp bin ich im Jahre 1919 auch gestanden. – Damals waren wir noch keine Vaterlandsverräter“. Unter den Zuschauern stand vor mir ein Herr Str. , der diese Bemerkung der SA-Führung berichtete.
Etwa fünf Minuten nach dem Abmarsch der SA-Gruppe vom Rathaus wurde ich beim Strasser-Eck von drei SA-Leuten gestellt, die mich kategorisch aufforderten, mich sofort ins Parteilokal oder in meine Wohnung zu begeben. Auf meine Frage nach dem Grund dieser Aufforderung wurde mir geantwortet: „Das werden Sie schon erfahren!“ Mit meiner Frau, die in meiner Begleitung war, folgte ich nach wiederholten Rückfragen den drei SA-Leuten, es kam zu einer sehr gereizten Auseinandersetzung vor dem Parteilokal über die Bemerkung, die an dem Verhalten der Dorfener SA-Leute Kritik übte, nachdem mich auswärtige SA-Leute hatten stellen müssen.
Von meiner Wohnung ausrief ich die Gendarmeriestation an und ersuchte Herrn Kommissär Brennauer, einen Beamten abzustellen, der mit den SA-Leuten dann in meine Wohnung kommen sollte. Gleich nachher kam Herr Bezirksführer Br. , ein weiterer führender SA-Mann aus dem Bezirk und die Herren St. und He. in meine Wohnung. Herr Bezirksführer Br. richtete in ruhiger Art das Ersuchen an mich, in der Redaktion der Zeitung das Maß der zulässigen Kritik einzuhalten gegenüber der SA, NSDAP und den politischen Vorgängen. Gegenüber den zu meiner persönlichen Entschuldigung vorgebrachten Einwänden, daß ich ja selbst nur für den Lokalteil persönlich verantwortlich sein kann, habe ich festgestellt und möchte es auch hier feststellen, daß ich mit dem Impressum genau so auch für den ganzen politischen Teil der Zeitung persönlich verantwortlich decke. Die Auseinandersetzung über meine parteipolitische Stellungnahme wurde mehrfach außerordentlich heftig geführt, obschon ich die sachgemäß freundliche Art der Besprechung mit Herrn Bezirksführer Br. ausdrücklich feststellen möchte. Auch, um allen irrigen Gerüchten entgegenzutreten.
Weiter wurde mir vorgehalten, daß ich die (übrigens wörtlich von den Herren aufgezeichnete) Bemerkung „Damals waren wir noch keine Landesverräter“ gemacht habe. Ich habe von der Bemerkung nichts wegzunehmen und habe meine Entrüstung auch hier ausgesprochen, daß wir als national minderwertig angesehen werden.
Die vor dem Parteilokal gefallene Bemerkung über die Dorfener SA-Leute war Gegenstand weiterer Auseinandersetzungen.
Daß von dem Augenblick an, in dem ich auf der Straße gestellt wurde, also von der „Verhaftung“ an, bis zum Ende der Besprechung in meiner Wohnung (im letzten Teil war Herr Oberwachtmeister Nesselthaler anwesend) nicht Liebenswürdigkeiten ausgetauscht wurden, liegt in der Sache selbst begründet. Aber so wenig ich parteimäßig Andersdenkenden – rein menschlich betrachtet – in einem solchen Augenblick des Machtbewusstseins eine solche Zumutung an eine anders eingestellte Zeitung übernehmen will, so sehr muß ich mich gegen die Art verwahren, wie mir die Absicht dieser Unterredung mitgeteilt wurde, sodaß der Eindruck einer Verhaftung damit erweckt wurde. Ich müßte es auch noch viel mehr bedauern, wenn die Stellungnahme gegenüber Andersdenkenden in solchen Dingen sich nach Art aller Revolutionszeiten auf Spitzelaussagen aufbauen würde. Das wäre noch das Allerschlimmste im politischen Kampf!
Josef Martin Bauer