Matthias Fackler
Fackler entstammte einer alten Erdinger Handwerker-Familie – der Vater Löffelmacher, der Großvater Seiler; die Mutter eine Schneiderstochter aus Altomünster. Nach dem frühen Tod des Vaters kommt Matthias ins Erdinger Waisenhaus und erhält von dort aus die Gelegenheit, 1735 eine Lehrstelle als Schreiner in München-Haidhausen anzutreten. Dort holt er sich in der Hauptstadt des Kurfürstentums sicherlich viele Inspirationen, die ihn später dazu befähigen werden, als Sakralkünstler eine so hohe Reputation zu erlangen.
1747 heiratet er in der Kirche Mariahilf in der Münchner Au Barbara Scheck, deren Mitgift es ihm ermöglicht, in Dorfen das Bürgerrecht und eine Handwerksgerechtigkeit zu erwerben. So kann er unmittelbar nach seiner Heirat die Schreinerei Lackner am Unteren Markt 3 kaufen, heute längst keine Schreinerei mehr, sondern später eine Bäckerei (Wimmer, dann Stelzer), eine Drogerie und jetzt ein Bekleidungsgeschäft. Die Auftragslage dürfte zunächst nicht rosig gewesen sein, weil Dorfen eins der kleinsten Pfleggerichte Altbayerns war. Handwerkeraufträge wurden damals in der Regel nur innerhalb des Gerichtsbezirks vergeben. 1756 aber wurde das Gericht Dorfen dem Erdinger Gericht eingegliedert; von da an konnte Fackler seinen Geschäftsbereich über Dorfen hinaus ausdehnen.
Schon zuvor hat er sich offenbar auf die künstlerische Ausstattung von Kirchen spezialisiert und war bereits 1749 durch „Kistlerarbeiten“ (Kistler = Schreiner) an der Umsetzung des Asam-Altares in der Wallfahrtskirche Maria Dorfen beteiligt. 1755 fertigte er für diese Kirche das Laiengestühl mit den kunstvoll geschnitzten Rocaille-Ornamenten an den Wangen an – bis heute steht es dort. 1757 begann mit dem Auftrag für die Innenausstattung der Pfarrkirche Unterhofkirchen Facklers Erfolgsgeschichte über den Markt Dorfen hinaus. Während seine Altäre in Hofkirchen, Taufkirchen und andernorts leider nicht mehr erhalten sind, so lassen sie sich noch in vielen Kirchen der Region bewundern – berühmt gemacht haben ihn vor allem seine „Meisterstücke“ in Hörgersdorf, Eschlbach und Oppolding – kleinen Dorfkirchen, nur wenige Kilometer voneinander entfernt, mit Altären und Kanzeln von unvergleichlicher Schönheit, Schmuckstücke des Rokoko, mit zierlicher, filigraner Ornamentik gestaltet, ohne überfrachtet zu sein.
Fackler schuf Altäre, Kanzeln, Tabernakel, Kirchenstühle, Speisgitter, Emporenverkleidungen und manches andere für eine große Zahl heimischer Gotteshäuser, so u. a. für die Pfarrkirchen Altenerding, Aufkirchen, Buch am Buchrain, Buchbach, Isen, Lengdorf, Mühldorf und Oberding, die Wallfahrtskirchen Maria Thalheim und Tading, aber auch für Filialkirchen wie Esterndorf, Lindum, Ober- und Niedergeislbach, Wasentegernbach etc. Dabei arbeitete er immer wieder mit renommierten Künstlern zusammen, besonders mit dem Erdinger Kirchenbaumeister Johann Baptist Lethner, dem Landshuter Bildhauer Christian Jorhan, dem Erdinger Fassmaler Georg Zellner & Söhne und dem als „Meister von Oppolding“ verehrten Stukkateur, den die Fachwelt lange Zeit mit dem Dorfener Künstler Johann Anton Pader identifizierte. Fackler zeigte sich dabei erstaunlich kreativ und entwarf immer wieder Variationen seiner früheren Arbeiten, entwickelte sich also künstlerisch stetig weiter. „Maister Schreiner: und Laubschneitter“ (Laubschneider = Ornamentschnitzer) bezeichnete er sich selbstbewusst, wenn er Kostenvoranschläge unterzeichnete.
Die Marke Fackler hat offenkundig rasch ein hohes Renommee erlangt. Ungeachtet seiner künstlerischen Fertigkeiten muss Fackler auch über immensen Fleiß, ein ausgesprochenes logistisches Talent und eine nicht unerhebliche Geschäftstüchtigkeit verfügt haben, wenn man sich vor Augen führt, wie produktiv er in dem Vierteljahrhundert seines prägenden Wirkens im Erdinger Land war. Alles war damals noch echte Handarbeit, und Fackler musste mit dem Schnitzmesser genauso gut umgehen können wie mit Säge und Hobel.
Seinem Sohn Anton hat er 1781 das Geschäft übergeben – es ist aber anzunehmen, dass er diesem weiterhin mit Rat und Tat zur Seite stand und so auch noch den nachfolgenden Auftragsarbeiten aus der Werkstatt Fackler seinen Stempel aufgedrückt hat – so in den Pfarrkirchen Schwindkirchen, Fraunberg und Langenpreising. Die Konjunktur entwickelt sich aber ungünstig für die Sakralkünstler – die sich ankündigende Säkularisation drehte mehr und mehr den Geldhahn der öffentlichen Hand für den Kirchenbau zu. Und da, wo noch mit Hilfe finanzieller Rücklagen investiert werden konnte, löste das verspielte Rokoko nach und nach der vergleichsweise nüchterne Klassizismus ab. Doch um im Geschäft zu bleiben, ging die Firma Fackler auch diesen Weg mit.
Am 18. Januar 1792 verstarb Matthias Fackler und fand seine letzte Ruhestätte auf dem damaligen Friedhof hinter der Pfarrkirche. Unsterblich ist der Virtuose des Rokoko in seinen zahlreichen Werken in den Kirchen der Heimat geblieben.
Wolfgang Lanzinger